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Welche Vorteile haben virtuelle Realität und erweiterte Realität in der Wartung?

XavierBiseul
Xavier Biseul
17. Oktober 2018
6 Min Lesedauer

Durch virtuelle Realität können Techniker geschult werden, noch bevor sie an einem Einsatzort eintreffen. Die erweiterte Realität unterstützt sie bei den Operationen rund um die Wartung. In beiden Fällen sind die ersten Erfahrungsberichte überzeugend.
 
Die Technologien von virtueller Realität und erweiterter Realität werden normalerweise mit der Welt der Unterhaltung und des Vergnügens assoziiert. Man denkt sofort an immersive Videospiele, wie Pokemon Go, oder Snapchat-Filter, die Selfi-Amateure in den siebten Himmel befördern. Darüber vergisst man leicht die Anwendungsbereiche im beruflichen Umfeld. Von der Konzeption eines virtuellen Modells in der Telemedizin bis zur Vorbereitung von Aufträgen in vor-sortierenden Plattformen sind die Einsatzmöglichkeiten fast unbegrenzt.
 
Es ist kein Zufall, dass Google die Google Glass auf dem BtoB-Markt repositioniert hat, nachdem seine verbunden Brillen bei den Privathaushalten mit gedämpfter Begeisterung aufgenommen wurden. Die Vielzahl von Helmen mit virtueller Realität vom Typ HTC, Vive, Samsung und Oculus, die heute für die breite Öffentlichkeit angeboten wird, hat sogar von der professionellen Nutzung profitiert, da sie zu einer deutlichen Kostensenkung dieser ehemals teuren Technologie geführt hat.

Virtuelle Fortbildung und Besichtigung sensibler Einsatzorte

Wartungs-Unternehmen können bei der Nutzung virtueller Realität viel gewinnen. Die Vorteile beginnen bei der Fort- und Weiterbildung von Technikern. Mit virtueller Realität kommen die Einsatzorte zur den Technikern und nicht andersherum. Die Techniker können in ihre zukünftigen Arbeitsuniversen eintauchen und die Topologie der Einsatzorte kennenlernen, an denen sie bald tätig werden sollen.
 
Von jedem Ort werden die Techniker ihre Handgriffe üben, sie wiederholen und sich den Luxus erlauben können, ohne in Gefahr zu geraten, Fehler begehen zu dürfen. Ein falscher Handgriff führt hier nicht zu Schäden am zu wartenden Gerät. Diese Art des Lernens ist vor allem für Einsätze an sensiblen und/oder weit entfernten Orten wie zum Beispiel einem Atomkraftwerk, einer Raffinerie oder eine Erdölplattform nützlich.
 
Virtuelle Realität erleichtert das Verständnis von Herausforderungen, die mit Wartungseinsätzen verbunden. Sie schafft ein weitaus realistischeres Bild der Lage als technische Handbücher oder PowerPoint-Präsentationen. Die Techniker werden quasi in die „reale“ Situation getaucht. Außerdem ermöglicht die virtuelle Realität Szenarien zu multiplizieren sowie außergewöhnliche Ereignisse oder besondere Wetterbedingungen (z. B. Arbeiten bei Nacht, bei Platzregen oder in einem Schneesturm) zu simulieren.

Pionniere der virtuellen Realität: Luftfahrt, Energie, Hoch- und Tiefbau

Da die virtuelle Realität die Effizienz der Fort- und Weiterbildung verbessert und Kosten senkt, ist sie besonders für Industrien geeignet, die bis zu mehreren hunderten Stunden pro Jahr und Operateur für die Wartung von Maschinen und Geräten aufwenden.
 
Dies ist vor allem in der Luftfahrt der Fall, wo MRO-Opertionen (maintenance, repair and overhaul – Wartung, Reparatur und Überholung) ein Schlüsselelement für die das exponentielle Wachstum sind. Die Schaffung virtueller Flugzeuge verhindert deren kostenintensive Stationierung am Boden. Der Flugzeugbauer Airbus und der Motorenhersteller Safran nutzen solche immersiven Anwendungen.
 
Auch der Energiesektor ist Anhänger der Virtualität. Das französische Gasunternehmen GRTgaz nutzt sie zur Fort- und Weiterbildung seiner Wartungstechniker, die Einsätze an Ventilen und Abzügen seines Netzes durchführen sollen. Die Avatare der Techniker durchlaufen in der virtuellen Welt die am häufigsten auftretenden Pannen.
 

Der Big Bang des BIM

Auch der traditionelle Hoch- und Tiefbau nimmt an der digitalen Revolution durch das „Building Information Modeling“ (BIM) teil. Dieses BIM bildet den virtuellen Avatar eines Gebäudes mit allen seinen physischen, technischen und funktionalen Eigenschaften ab.
 
Dieses digitale Modell wird mit allen Akteuren geteilt, vom Architekten bis zum Endkunden über das Ingenieurbüro, den Vorarbeiter oder den Wartungstechniker.
 
Die virtuelle Realität kann für vielfältige mit der Wartung verbundenen Aufgaben benutzt werden, z. B. die Inspektion eines Einsatzortes, die Qualitätskontrolle oder die Sicherheitspolitik (Schutzvorschriften, Sensibilisierung neuer Mitarbeiter). Die Arbeitszeitfirma Manpower setzt sie als Tool zur Prävention von Risiken auf Baustellen sowie zur Schulung von Interimsmitarbeitern, wie sie sich bei schweren Unfällen zu verhalten haben, ein.

Erweiterte Realität: Alle wichtigen Informationen jederzeit im Blick

Die virtuelle Realität sollte nicht mit der erweiterten Realität verwechselt werden. Während erstere dazu dient, Einsätze vorzubereiten, unterstützt die zweite den Techniker im Einsatz selbst. Wie ihr Name bereits andeutet, ermöglicht die erweiterte Realität, der realen Welt situationsbezogene Informationen hinzuzufügen.
 
Der „erweiterte“ Wartungstechniker verfügt über alle wichtigen Informationen, die er für seine Arbeit braucht: Pläne, technische Zeichnungen, Handbücher … Indem er den QR Code eines zu wartenden Gerätes scannt, erhält er eine Liste aller durchzuführenden Maßnahmen.
 
Gleichzeitig sammelt er über verbundene Sensoren übermittelte Daten über den Zustand des Gerätes wie den Druck, die Temperatur oder die Feuchtigkeit. Im Sektor des Hoch- und Tiefbaus „sieht“ der Wartungstechniker das Innere des Gebäudes, zum Beispiel hinter Zwischendecken versteckte elektrische Kabel oder durch Verschalung versteckte Wasserleitungen.
 

Der Techniker hat die Hände frei zum Reparieren

Alle Informationen werden in einer Überblicksdarstellung auf einem Tablett, einem Smartphone, einer verbundenen Brille oder auch direkt über einen Videoprojektor auf dem zu wartenden Gerät angezeigt. Dieses System hat den Vorteil, dass es den Techniker von der Konsultation technischer Dokumente befreit bzw. ihm dank Helm oder Brille mit erweiterter Realität die Hände frei hält.
 
Diese Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine dient dem Techniker ebenfalls dazu, Ersatzteile zu bestellen oder Unterstützung von einem entfernten Experten zu bekommen, um seine Diagnose zu verfeinern. Der Techniker muss einfach nur seine 3D-Ansicht mit dem Experten teilen. Wodurch sich wiederum die First Time Fix Rate (Rate der beim ersten Einsatz gelösten Probleme) verbessert.

Platz für die gemischte Realität mit HoloLinsen

Mit seinen HoloLinsen präsentierte Microsoft 2015 einen noch weiter gehenden Schritt in der Verflechtung von Virtualität und realer Welt. Ein Helm mit sogenannter gemischter Realität ermöglicht es, Hologramme im Sichtfeld des Nutzers zu simulieren. Diese Hologramme koexistieren mit physischen Objekten und können sogar mit ihnen interagieren.
 
HoloLinsen können helfen, die Techniker in der korrekten Anwendung für jedes Gerät spezifischer Verfahren zu schulen oder sie bei delikaten Einsätzen unterstützen. Das ist zum Beispiel bei Technikern von Areva der Fall, die in anspruchsvollen Umgebungen arbeiten. Ihre Strahlenschutzanzüge schränken ihre Bewegungsfähigkeit ein und sie können aufgrund ihrer Handschuhe keinen Touchscreen bedienen.
Auch andere Industrien nutzen das holographische Tool von Microsoft. Total nutzt es, um seine Wartungstechniker im Austausch der Drossler von Öltanks zu schulen. Dassault Aviation setzt HoloLinsen für Wartungseinsätze und den Verfolgugn der Flugzeuge Rafale und Falcon ein.